WAS ist das überhaupt: Kreatives Schreiben?


Kreativ am kreativen Schreiben ist vor allem der natürliche, persönliche Umgang mit der Sprache, das Herausschreiben unbewußter, vorgewu?ter, archetypische Elemente, ohne den stieren Blick auf literarische Qualität, auf stilistische Anstrengung.

Kreatives Schreiben ist ein Ausdrucksmittel der inneren Stimme. Mit sich selbst, über sich selbst, ohne im eigenen Saft schmoren zu bleiben, dass ist kreativ geschrieben. Ob man Kreativität lernen kann mag einmal dahingestellt bleiben. Worum es in erster Linie geht, wenn ein Kreativitätsprozeß gefördert, ermöglicht werden soll, ist die Schaffung einer kreativen Atmosphäre, die Schaffung eines kreativen Milieus. Dazu gehört eben das Zulassen von Halbgarem, das Sprechen und Schreiben in halben Sätzen, dazu gehören die spontanen, die wilden Ideen.

Was ist jetzt aber das Spezifische des Schreibens am kreativen Schreiben? Es ist das wesentliche des Schreibens selbst, nämlich der Gegensatz zum Sprechen und Handeln, die relative Langsamkeit des Schreibens gegenüber dem ständigen forteilenden Denken, die ?Entdeckung der Langsamkeit? die Konzentration auf die Schrift. Dieses Kneten der Buchstaben, dieses Basteln mit den Wörtern, Spielen mit den Sätzen, weil es doch immer nicht ganz stimmt, was da geschrieben werden will.

Und dann ist er da, der bewußtere Umgang mit den eigenen Bedürfnissen und auch den Verletzungen, die Verdrängungen, die Verschüttungen kommen deutlich zu Tage.

Kreatives Schreiben dient der vertieften Wahrnehmung durch einen bewußteren Umgang mit den eigenen Erfahrungen, Gefühlen, Wünschen, Träumen. Es fördert das Fremdverstehen durch die spielerische Erkundung anderer Perspektiven und Lebenssituationen, durch das Hineinversetzen in erdachte Figuren, fiktive Welten, utopische Zustände.

Das kreative Schreiben fördert auch, was in dieser Gesellschaft der quicken Geschäftigkeit fast ein Relikt geworden ist: die Muße.

So hat das kreative Schreiben auch etwas mit dem zu tun, was als stehender Begriff der Alltagsgeschichte zirkuliert. Alltagsgeschichte meint: Grabe, wo du stehst.

Kreatives Schreiben ergänzt: Schreibe, wo du bist.

aus: Claus Mischon, Schreib-Spiel-Werkstatt, Berlin ASHF)
aus: Kaspar H. Spinner, Tendenzen der neuen Schreibbewegung, Aachen 1988)